Text der andorranischen Verfassung, übersetzt ins Deutsche |
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Verfassung des Fürstentums von Andorra
Die andorranische Verfassung in deutscher Sprache
28. April 1993
Andorras wichtigstes Dokument der neueren Zeit. Es ist das einzige Dokument, das den einzelnen Bewohner vor der Macht im Land schützt.
Die Verfassung muss vorallem auch oder gerade vor den Politikern geschützt werden.
Durchgesehene und korrigierte Fassung der Übersetzung für den deutschen Sprachraum an Hand des katalanischen Originaltexts 'Constitució del Principat d'Andorra' vom 28.04.1993 (BOPA 1993, 448)
PRÄAMBEL
Das Volk von Andorra, in Freiheit und Unabhängigkeit und in Ausübung der ihm eigenen Souveränität,
Im Bewusstsein, dass die institutionelle Struktur Andorras den neuen Umständen angepasst werden muss, die von der Entwicklung der geographischen, historischen und sozial-kulturellen Umgebung gefordert werden, und überzeugt von der Notwendigkeit, jene Beziehungen zu regeln, welche die auf den Prinzipien der Pareatges begründeten Institutionen innerhalb dieses neuen rechtlichen Rahmens besitzen müssen,
Überzeugt, dass es ratsam ist, sich mit allen Mechanismen auszurüsten, welche die Rechtssicherheit bei der Ausübung der Grundrechte gewährleisten sollen, die, wenn sie auch immer gegenwärtig waren und in ihrem Charakter von der andorranischen Gesellschaft anerkannt waren, nicht über eine konkrete materielle Regelung verfügten,
Entschlossen, die Förderung von Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und sozialer Fortschritt zu betreiben, und die harmonischen Beziehungen zwischen Andorra und der restlichen Welt, in spezieller Hinsicht zu den Nachbarländern, auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts, des Zusammenlebens und des Friedens, zu bewahren und zu erweitern.
Im Willen, sich im Sinne der gemeinsamen Ziele der Menschheit einzusetzen und zu ihrer Erlangung zusammenzuarbeiten, vor allem zur Erhaltung der Erde und zur Sicherung angemessener Lebensumstände für die künftigen Generationen,
In dem Wunsch, dass der Leitspruch "virtus, unita, fortior", der den friedlichen Weg Andorras während seiner mehr als siebenhundertjährigen Geschichte geleitet hat, weiterhin volle Gültigkeit behalte und immer die Handlungen der Andorraner als Grundsatz bestimmen möge,
Gibt sich in freier Selbstbestimmung die vorliegende Verfassung.
TITEL I
ÜBER DAS STAATSWESEN VON ANDORRA
Artikel 1
1. Andorra ist ein unabhängiger demokratischer und sozialer Rechtsstaat. Sein offizieller Name ist Principat d'Andorra.
2. Die Verfassung bestimmt zu Grundsätzen, die das staatliche Handeln des andorranischen Staates bestimmen sollen, den Respekt und die Förderung von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Toleranz sowie die Verteidigung der Menschenrechte und der Menschenwürde.
3. Die Staatsgewalt geht vom andorranischen Volk aus. Sie wird ausgeübt durch die verschiedenen Arten der demokratischen Teilnahme und durch die Institutionen, die in dieser Verfassung festgelegt sind.
4. Das politische System von Andorra ist das parlamentarische Coprincipat.
5. Andorra besteht aus den Parròquies Canillo, Encamp, Ordino, La Massana, Andorra la Vella, Sant Julià de Lòria und Escaldes-Engordany.
Artikel 2
1. Die offizielle Amtssprache ist Katalanisch.
2. Die Nationalhymne, das Banner und das Wappen von Andorra werden nach der Tradition beibehalten.
3. Andorra la Vella ist die Hauptstadt des Staates.
Artikel 3
1. Die vorliegende Verfassung bindet als oberste Vorschrift der Rechtsordnung alle Organe der öffentlichen Gewalt und alle Bürger.
2. Die Verfassung garantiert die Gesetzmäßigkeit des staatlichen Handelns, das Prinzip der Normenhierarchie, der öffentlichen Verkündung der rechtlichen Vorschriften, das Verbot der Rückwirkung von Maßnahmen, welche die individuelle Freiheit einer Person eingrenzen, nachteilige Wirkungen mit sich bringen oder zu schwererer Bestrafung führen, das Gebot der Rechtssicherheit, der rechtlichen Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt und das Verbot von jeder Art von Willkür.
3. Die allgemeinen Regeln des internationalen öffentlichen Rechts werden Bestandteil der rechtlichen Ordnung von Andorra.
4. Internationale Verträge und Vereinbarungen gelten als Bestandteil der Rechtsordnung, wenn sie im Butlletí Oficial del Principat d'Andorra veröffentlicht worden sind. Sie können nicht durch Gesetze verändert oder aufgehoben werden.
TITEL II
ÜBER RECHTE UND FREIHEITEN
Kapitel I. Allgemeine Grundlagen
Artikel 4
Die Verfassung bekennt sich zur Unantastbarkeit der menschlichen Würde und garantiert deshalb die unverletzlichen und unverjährbaren Rechte des Menschen, die die Grundlage der politischen Ordnung, des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit darstellen.
Artikel 5
Die Universale Deklaration der Menschenrechte hat in Andorra Gültigkeit.
Artikel 6
1. Alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz. Niemand darf wegen seiner Geburt, seiner Rasse, seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Religion, seiner Meinung oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände benachteiligt werden.
2. Die Organe der öffentlichen Gewalt müssen die Bedingungen dafür schaffen, dass Gleichberechtigung und individuelle Freiheit verwirklicht und ausgeübt werden können.
Kapitel II. Über die andorranische Staatsbürgerschaft
Artikel 7
1. Die andorranische Staatsangehörigkeit, einschließlich ihrer rechtlichen Folgen, kann nach den Bestimmungen einer Llei Qualificada erlangt, behalten und verloren werden.
2. Die Annahme oder Aufrechterhaltung einer anderen Staatsangehörigkeit beinhaltet, unter den Umständen und Bedingungen, die das Gesetz festlegt, den Verlust der andorranischen Staatsangehörigkeit.
Kapitel III. Über die grundsätzlichen Rechte einer Person und die öffentlichen Freiheiten
Artikel 8
1. Die Verfassung bekennt sich zum Recht auf Leben und zu dessen vollem Schutz in allen seinen Phasen.
2. Jeder hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Niemand darf gefoltert oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen und Behandlungen ausgesetzt werden.
3. Die Todesstrafe ist untersagt.
Artikel 9
1. Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Dieses Recht darf ihm nur aus den Gründen und durch die Verfahren entzogen werden, die in der Verfassung und in den Gesetzen festgelegt sind.
2. Die staatliche Festnahme darf nicht länger dauern, als zur Ausführung der Untersuchungen für die Aufklärung des Falles notwendig ist, und darf nie den Zeitraum von achtundvierzig Stunden überschreiten, ohne dass der Festgenommene einem Richter vorgeführt wird.
3. Das Gesetz wird ein Verfahren festlegen, in dem jeder Festgenommene sich an ein rechtliches Organ wenden kann, mit dem Ziel, dass dieses die Rechtmäßigkeit seiner Festnahme prüft. Ebenso wird ein Verfahren geschaffen zur Wiederherstellung der durch die Festnahme verletzten Grundrechte.
4. Niemand darf für Handlungen oder Unterlassungen bestraft werden, die im Moment ihres Geschehens nicht als Verbrechen, Vergehen oder Ordnungswidrigkeit gesetzlich bestimmt waren.
Artikel 10
1. Die Verfassung garantiert das Recht auf gerichtlichen Schutz, darauf, eine rechtlich begründete Entscheidung zu erhalten, sowie das Recht auf einen menschenwürdigen Prozess vor einem unparteiischen und gesetzlich vorbestimmten Gericht.
2. Jeder hat das Recht auf Verteidigung vor Gericht und auf den Beistand eines Rechtsanwalts, auf eine angemessene Dauer der Verhandlung, auf die Vermutung seiner Unschuld und darauf, über den Inhalt der Anklage unterrichtet zu werden. Jeder hat das Recht, seine Schuld nicht zu offenbaren, nicht gegen sich selbst auszusagen und, bei Strafprozessen, das Recht auf ein Rechtsmittel.
3. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen für jene Fälle, in denen die Rechtsprechung zur Garantie des Gleichheitsprinzips kostenlos sein muss.
Artikel 11
1. Die Verfassung garantiert das Recht auf weltanschauliche, religiöse und kultische Freiheit. Niemand darf gezwungen werden, über seine Religion, seine Weltanschauung oder seinen Glauben Zeugnis abzulegen oder sich darüber zu erklären.
2. Die Freiheit zur Bekundung der eigenen Religion oder der eigenen Glaubensinhalte ist lediglich jenen Begrenzungen unterworfen, die im Gesetz festgelegt und notwendig sind, um die öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Moral oder die Grundrechte und Freiheiten anderer zu schützen.
3. Die Verfassung garantiert der Katholischen Kirche freie und öffentliche Ausübung ihrer Tätigkeiten sowie die Aufrechterhaltung der Beziehungen besonderer Zusammenarbeit mit dem Staat, in Übereinstimmung mit der andorranischen Tradition. Die Verfassung erkennt den Einrichtungen der Katholischen Kirche, die nach ihren eigenen Normen eine eigene Rechtspersönlichkeit haben, volle Rechtsfähigkeit im Rahmen der allgemeinen andorranischen Rechtsordnung an.
Artikel 12
Die Freiheit der Meinungsäußerung, der Kommunikation und der Information wird anerkannt. Das Gesetz regelt das Recht auf Gegendarstellung, Berichtigung und auf das Berufsgeheimnis. Die vorhergehende Zensur oder jede andere Art von ideologischer Kontrolle seitens der Organe der öffentlichen Gewalt sind verboten.
Artikel 13
1. Das Gesetz regelt den Personenstand und die Formen der Eheschließung. Die zivilen Wirkungen der kanonischen Eheschließung werden anerkannt.
2. Die Organe der öffentlichen Gewalt vertreten eine Politik, die die Familie als Grundlage der Gesellschaft schützt.
3. Die Ehepartner haben die gleichen Rechte und Verpflichtungen. Die Kinder sind vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrer Ehelichkeit.
Artikel 14
Die Verfassung garantiert das Recht auf Privatsphäre, auf die Ehre und das Recht am eigenem Bild. Jeder hat das Recht, von den Gesetzen gegen rechtswidrige Einmischung in sein Privat- und Familienleben geschützt zu werden.
Artikel 15
Die Verfassung garantiert die Unverletzbarkeit der Wohnung, die niemand ohne Einverständnis des Besitzers oder ohne richterlichen Befehl betreten darf, außer bei der unmittelbaren Verfolgung einer Straftat. Ebenso wird das Geheimnis des gesprochenen Wortes garantiert, außer bei einem rechtlich begründeten richterlichen Befehl.
Artikel 16
Das Recht auf Versammlungen und friedliche Demonstrationen zu erlaubten Zwecken wird gewährleistet. Die Ausübung des Demonstrationsrechtes erfordert die vorhergehende Mitteilung an die Behörden und darf nicht die Bewegungsfreiheit von Personen und Gütern beeinträchtigen.
Artikel 17
Anerkannt wird die Freiheit zur Bildung von Vereinigungen zu friedlichen Zwecken. Um die Öffentlichkeit zu gewährleisten, wird ein gesetzliches Register der gebildeten Vereinigungen geführt.
Artikel 18
Anerkannt wird das Recht auf Gründung und freie Betätigung von betrieblichen, beruflichen und gewerkschaftlichen Organisationen. Unbeschadet ihrer Verbindung mit internationalen Vereinigungen müssen diese Organisationen dem Bereich Andorras angehören, unabhängig sein, dürfen in ihren Organen nicht vom Ausland abhängen und müssen demokratisch aufgebaut sein.
Artikel 19
Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht, ihre ökonomischen und sozialen Interessen zu vertreten. Das Gesetz wird die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechtes regeln, um die Funktion der grundlegenden Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten.
Artikel 20
1. Jeder hat das Recht auf eine Erziehung. Diese muss auf die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit und Würde gerichtet sein und besonders auf den Respekt gegenüber der Freiheit und den Grundrechten.
2. Die Freiheit der Lehre und der Bildung von Lehranstalten wird anerkannt.
3. Die Eltern haben das Recht zu wählen, welche Erziehung ihre Kinder erhalten sollen. Ebenso haben sie das Recht auf eine moralische oder religiöse Erziehung ihrer Kinder, die mit ihren eigenen Überzeugungen übereinstimmt.
Artikel 21
1. Jeder hat das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Staatsgebietes und kann das Land in Übereinstimmung mit den Gesetzen betreten und verlassen.
2. Staatsbürger und Ausländer mit legalem Wohnsitz haben das Recht, ihren Wohnsitz innerhalb von Andorra frei zu wählen.
Artikel 22
Die Nichterneuerung der Aufenthaltsgenehmigung oder die Ausweisung einer Person mit legalem Wohnsitz kann ausschließlich aus den gesetzlich festgelegten Gründen und unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen verfügt werden. Macht der Betreffende sein Recht auf gerichtlichen Schutz geltend, kann dies nur aufgrund einer richterlichen Anordnung geschehen.
Artikel 23
Jede direkt betroffene Person hat das Recht, sich mit Anträgen an die Organe der öffentlichen Gewalt zu wenden, deren Form und Wirkung vom Gesetz vorgesehen sind.
Kapitel IV. Die politischen Rechte der Andorraner
Artikel 24
Alle volljährigen Andorraner, die voll geschäftsfähig sind, besitzen das Wahlrecht.
Artikel 25
Alle Andorraner haben, unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen, gleichermaßen das Recht auf Zutritt zu politischen Funktionen und Ämtern. Die Ausübung von institutionellen Ämtern ist den Andorranern vorbehalten, unbeschadet der in dieser Verfassung oder in internationalen Verträgen bestimmten Ausnahmen.
Artikel 26
Den Andorranern wird das Recht auf freie Gründung von politischen Parteien gewährleistet. Ihre Funktionsweise und Organisation muss demokratisch sein und ihre Handlungen müssen mit dem Gesetz übereinstimmen. Die Untersagung ihrer Tätigkeiten und ihre Auflösung müssen von den Gerichten angeordnet werden.
Kapitel V. Über die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte und Grundsätze
Artikel 27
1. Das Recht auf Privateigentum und das Erbrecht werden gewährleistet, ohne andere Begrenzungen als diejenigen, die aus der sozialen Funktion des Eigentums hervorgehen.
2. Niemand darf enteignet werden, wenn dies nicht aufgrund eines gerechtfertigten öffentlichen Interesses und unter Gewährung einer gerechten Entschädigung nach dem gesetzlichen Verfahren geschieht.
Artikel 28
Anerkannt wird die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung im Rahmen der Marktwirtschaft und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften.
Artikel 29
Jedermann hat das Recht auf Arbeit, auf Besserstellung durch Arbeit, auf eine Bezahlung, die dem Arbeiter und seiner Familie ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten, sowie auf eine angemessene Beschränkung der Arbeitsstunden, eine wöchentliche Ruhepause und auf bezahlten Urlaub.
Artikel 30
Anerkannt wird das Recht auf den Schutz der Gesundheit und auf den Erhalt von Dienstleistungen, um anderen persönlichen Bedarfsfällen nachzukommen. Zu diesen Zwecken wird der Staat ein Sozialversicherungssystem schaffen.
Artikel 31
Es ist Aufgabe des Staates, über den angemessenen Gebrauch des Bodens und aller natürlichen Ressourcen zu wachen, um jedermann eine würdige Lebensqualität zu gewährleisten und für die zukünftigen Generationen ein angemessenes ökologisches Gleichgewicht in Atmosphäre, Wasser und Boden wiederherzustellen und zu erhalten sowie die bodenständige Flora und Fauna zu schützen.
Artikel 32
Der Staat kann in die Ordnung des Wirtschafts-, Handels-, Arbeits- und Finanzierungssystems eingreifen, um im Rahmen der Marktwirtschaft die ausgeglichene Entwicklung der Gesellschaft und das allgemeine Wohl zu fördern.
Artikel 33
Die staatlichen Behörden haben die Bedingungen zu fördern, um das Recht eines jeden auf würdige Wohnungsverhältnisse zu verwirklichen.
Artikel 34
Der Staat gewährleistet die Erhaltung, Förderung und Verbreitung des historischen, kulturellen und künstlerischen Erbes von Andorra.
Artikel 35
Die Rechte der Verbraucher und Benutzer werden vom Staat gewährleistet und sind den öffentlichen Behörden zum Schutz anvertraut.
Artikel 36
Der Staat kann Mittel zur sozialen Kommunikation schaffen. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen der demokratischen Beteiligung und des Pluralismus wird ein Gesetz ihre Organisation und die Kontrolle durch den Consell General regeln.
Kapitel VI. Über die Pflichten der Andorraner und der Ausländer
Artikel 37
Alle natürlichen und juristischen Personen tragen nach ihren wirtschaftlichen Fähigkeiten zu den öffentlichen Ausgaben bei, mittels eines gerechten Steuersystems, das gesetzlich festgelegt ist und auf den Grundsätzen der Allgemeinheit und der ausgewogenen Verteilung von Steuerlasten beruht.
Artikel 38
Der Staat kann durch das Gesetz zivile Dienste zur Erfüllung von Zwecken des Allgemeininteresses schaffen.
Kapitel VII. Über die Rechts- und Freiheitsgarantien
Artikel 39
1. Die in den Kapiteln III und IV dieses Titels anerkannten Rechte und Freiheiten verpflichten die öffentlichen Organe unmittelbar als direkt anwendbares Gesetz. Ihr Inhalt kann nicht durch Gesetz beschränkt werden und steht unter dem Schutz der Gerichte.
2. Ausländer mit offiziellem Wohnsitz in Andorra können die in Kapitel III dieses Titels erwähnten Rechte und Freiheiten frei ausüben.
3. Die in Kapitel V erwähnten Rechte regeln die Gesetzgebung und die Tätigkeit der staatlichen Gewalten. Sie können aber nur unter den Bedingungen geltend gemacht werden, die die Rechtsordnung bestimmt.
Artikel 40
Die Regelung über die Ausübung der in diesem Titel anerkannten Rechte kann nur durch Gesetz geschehen. Die in Kapitel III und IV erwähnten Rechte sind über Lleis Qualificades zu regeln.
Artikel 41
1. Die in Kapitel III und IV anerkannten Rechte und Freiheiten können vor den ordentlichen Gerichten mittels eines Eil- und Vorzugsverfahrens geltend gemacht werden, das gesetzlich geregelt ist und in jedem Fall in zwei Instanzen spruchreif wird.
2. Das Gesetz wird ein besonderes Beschwerdeverfahren vor dem Tribunal Constitucional schaffen, zum Schutz gegen Akte der öffentlichen Behörden, die den wesentlichen Inhalt der im vorhergehenden Abschnitt erwähnten Rechte verletzen, mit Ausnahme des in Artikel 22 erwähnten Falles.
Artikel 42
1. Ein Llei Qualificada wird den Not- und Ausnahmezustand regeln. Der erstere kann bei Naturkatastrophen vom Govern ausgerufen werden, und zwar für einen Zeitraum von 15 Tagen und unter Mitteilung an den Consell General. Der letztere wird ebenfalls vom Govern erklärt. Er erstreckt sich über den Zeitraum von 30 Tagen, wenn das normale Funktionieren des demokratischen Zusammenlebens unterbrochen ist, und benötigt die vorhergehende Genehmigung des Consell General.
2. Während des Ausnahmezustandes kann die Ausübung der in den Artikeln 21 und 27 verbrieften Rechte eingeschränkt werden. Während des Notstandes kann die Ausübung der in den Artikeln 9.2, 12, 15, 16, 19 und 21 erfassten Rechte aufgehoben werden. Die Suspendierung der in Artikel 9.2 und 15 enthaltenen Rechte muss immer unter richterlicher Aufsicht stattfinden unbeschadet des in Artikel 9.3 aufgestellten Schutzverfahrens.
TITEL III
ÜBER DIE COPRÍNCEPS
Artikel 43
1. In Übereinstimmung mit der institutionellen Tradition Andorras bilden die Coprínceps gemeinsam und untrennbar das Staatsoberhaupt und sind für seine Repräsentation auf höchster Ebene verantwortlich.
2. Die Coprínceps, eine Institution, die aus den Prinzipien der Pareatges und deren historischer Evolution hervorgegangen ist, sind, persönlich und ausschließlich, der Bischof von Urgell und der Präsident der Französischen Republik. Sie haben dieselben Rechte, die von der vorliegenden Verfassung abgeleitet werden. Jeder von ihnen schwört und verpflichtet sich, seine Aufgaben in Übereinstimmung mit der vorliegenden Verfassung auszuüben.
Artikel 44
1. Die Coprínceps sind das Symbol und die Garantie für das Bestehen und die Fortdauer Andorras, sowie seiner Unabhängigkeit und der Erhaltung des paritätischen Geistes in den traditionsgemäß ausgeglichenen Beziehungen zu den Nachbarstaaten. Sie bekunden, in Übereinstimmung mit der Verfassung, das Einverständnis des andorranischen Staates bei internationalen Verpflichtungen.
2. Die Coprínceps sind Schiedsgericht über das Funktionieren der öffentlichen Gewalt und der Institutionen. Auf Verlangen eines jeden von ihnen, des Síndic General oder des Cap de Govern sind sie regelmäßig über die Angelegenheiten des Staates zu informieren.
3. Mit Ausnahme der in der vorliegenden Verfassung vorgesehenen Fälle tragen die Coprínceps keine politische Verantwortung. Die Haftung für die Handlungen der Coprínceps übernehmen diejenigen, die diese Handlungen gegenzeichnen.
Artikel 45
1. Die Coprínceps, mit der Gegenzeichnung des Cap de Govern oder gegebenenfalls des Síndic General, die die politische Verantwortung tragen:
a) Berufen allgemeine Wahlen in Übereinstimmung mit der Verfassung ein.
b) Berufen Volksabstimmungen in Übereinstimmung mit den Artikeln 76 und 106 der Verfassung ein.
c) Ernennen den Cap de Govern nach dem in Artikel 71 der Verfassung festgelegten Verfahren.
d) Unterzeichnen das Dekret über die Auflösung des Consell General nach Artikel 71 der Verfassung.
e) Akkreditieren die diplomatischen Vertreter Andorras im Ausland. Die ausländischen Vertreter in Andorra werden vor jedem von ihnen akkreditiert.
f) Ernennen die Träger der anderen Institutionen des Staates in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen.
g) Unterzeichnen und verkünden die Gesetze nach Artikel 63 der vorliegenden Verfassung.
h) Erklären, unter den in Kapitel III des Titels IV vorgesehenen Bedingungen, das Einverständnis des Staates zu Verpflichtungen in internationalen Verträgen.
i) Übernehmen die weiteren Handlungen, die ihnen die Verfassung ausdrücklich überträgt.
2. Die in den Abschnitten g) und h) dieses Artikels vorgesehenen Rechtsakte müssen gleichzeitig jedem der beiden Coprínceps vorgelegt werden, welche sie ausfertigen und verkünden bzw. das Einverständnis des Staates erklären. Die Veröffentlichung ist innerhalb eines Zeitraums von mindestens acht und höchstens fünfzehn Tagen anzuordnen. Während dieses Zeitraums können sich die Coprinceps, einzeln oder gemeinsam, mit einem begründeten Antrag an das Tribunal Constitucional wenden, dass dieses sich über die Verfassungsmäßigkeit aussprechen solle. Im Falle einer positiven Entscheidung genügt die Unterzeichnung durch wenigstens einen der Coprínceps als Gegenzeichnung.
3. Wenn Umstände zusammentreffen, die einem der Coprínceps die Wahrnehmung der im ersten Abschnitt des vorliegenden Artikels erwähnten Aufgaben
innerhalb der verfassungsmäßig vorgesehenen Bedingungen unmöglich machen, muss sein Vertreter dies dem Síndic General oder gegebenenfalls dem Cap de Govern mitteilen. In diesem Fall werden die Vorgänge, Vorschriften oder Entscheidungen nach Ablauf der bezeichneten Fristen und mit der Unterschrift des anderen Copríncep und Gegenzeichnung des Cap de Govern bzw. des Síndic General wirksam.
Artikel 46
1. Die Coprínceps entscheiden frei über:
a) Die gemeinsame Ausübung des Begnadigungsrechts.
b) Die Schaffung und Gestaltung von Verwaltungsstellen, die sie zur Durchführung ihrer verfassungsmäßigen Funktionen für notwendig halten, die Benennung der Amtsträger und deren rechtliche Einsetzung.
c) Die Ernennung der Mitglieder des Consell Superior de la Justícia gemäß Artikel 89.2 der Verfassung.
d) Die Benennung der Mitglieder des Tribunal Constitucional gemäß Artikel 96.1 der Verfassung.
e) Die Anforderung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze.
f) Die Anforderung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit internationaler Verträge vor ihrer Ratifizierung.
g) Das Anstrengen eines Rechtsstreits vor dem Tribunal Constitucional aus dem Grund, dass ihre verfassungsmäßigen Funktionen betroffen sind, nach den Artikeln 98 und 103 der Verfassung.
h) Die Erklärung des Einverständnisses zum Text eines internationalen Vertrages, in Übereinstimmung mit dem in Artikel 66 Vorgesehenen, vor der Ratifizierung in parlamentarischer Sitzung.
2. Die aus den Artikeln 45 und 46 abgeleiteten Handlungen werden von den Coprínceps persönlich ausgeführt, mit Ausnahme der in e), f), g) und h) dieses Artikels vorgesehenen Befugnisse, die durch ausdrückliche Delegierung erfolgen können.
Artikel 47
Der allgemeine Staatshaushalt des Principat muss beiden Coprínceps zum Funktionieren ihrer Dienste jeweils den gleichen Betrag assignieren, von dem sie freien Gebrauch machen können.
Artikel 48
Jeder Copríncep benennt einen persönlichen Vertreter in Andorra.
Artikel 49
Bei Abwesenheit einer der beiden Coprínceps erkennt die vorliegende Verfassung die Gültigkeit der jeweils in ihrer Geschäftsordnung vorgesehenen Vertretungsmechanismen an, um die normale Funktionsfähigkeit der andorranischen Institutionen nicht zu unterbrechen.
Artikel 50
Der Consell General, Ausdruck der gemischten und paritätischen Vertretung der Bevölkerung und der sieben Parròquies, repräsentiert das andorranische Volk, übt die Gesetzgebung aus, genehmigt den Staatshaushalt und kontrolliert und regt die politischen Handlungen des Govern.
Kapitel I. Über die Organisation des Consell General
Artikel 51
1. Die Consellers werden in allgemeinen, freien, direkten und geheimen Wahlen für einen Zeitraum von vier Jahren gewählt. Das Mandat der Consellers endet vier Jahre nach ihrer Wahl oder am Tag der Auflösung des Consell General.
2. Die Wahlen müssen zwischen dreissig und vierzig Tagen nach der Beendigung des Mandats stattfinden.
3. Wahlberechtigt und wählbar sind alle Andorraner, die über die vollen politischen Rechte verfügen.
4. Eine Llei Qualificada wird das Wahlverfahren regeln und die Gründe für die Nichtwählbarkeit und die Inkompatibilität mit anderen Aufgaben der Consellers festlegen.
Artikel 52
Der Consell General ist zusammengesetzt aus wenigstens achtundzwanzig und höchstens zweiundvierzig Consellers Generals. Die Hälfte von ihnen wird anteilsgleich in jeder der sieben Parròquies gewählt, die andere Hälfte in nationalem Wahlgang.
Artikel 53
1. Alle Mitglieder des Consell General sind in gleicher Weise Volksvertreter, haben gleiche Rechte und Pflichten und sind an keinerlei Aufträge gebunden. Ihr Stimmrecht ist persönlich und nicht übertragbar.
2. Die Consellers haften nicht für die Stimmabgaben und Meinungsäußerungen, die sie in ihren Funktionen abgehen.
3. Im Laufe ihres Mandats können die Consellers nicht festgenommen oder festgehalten werden, es sei denn, sie werden auf frischer Tat ertappt. In den anderen Fällen ist für die Entscheidung über ihre Festnahme, für die Eröffnung eines Verfahrens und für die Anklage gegen sie das Tribunal de Corts im Plenum zuständig, für das Gerichtsverfahren das Tribunal Superior.
Artikel 54
Der Consell General erlässt und modifiziert seine Geschäftsordnung mit absoluter Mehrheit der Kammer, bestimmt seinen Haushalt und regelt das Statut für das in seinem Dienst stehende Personal.
Artikel 55
1. Die Sindicatura ist das leitende Organ des Consell General.
2. Der Consell General versammelt sich in verfassungsgebender Sitzung fünf Tage nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und wählt in derselben Sitzung den Síndic General, den Subsíndic General und gegebenenfalls andere Mitglieder, die verordnungsgemäß der Sindicatura angehören können.
3. Der Síndic General und der Subsíndic General können ihr Amt nicht länger als während zweier vollständiger aufeinander folgender Wahlperioden ausüben.
Artikel 56
1. Der Consell General versammelt sich in traditionellen, ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen, die nach der Geschäftsordnung einberufen werden. Es gibt im Jahr zwei von der Verordnung festgelegte ordentliche Sitzungsperioden. Die Sitzungen des Consell General sind öffentlich, mit Ausnahme des Falles, dass der Consell General mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder das Gegenteil beschließt.
2. Der Consell General kann seine Funktion im Plenum oder in Ausschüssen ausüben. Die Geschäftsordnung sieht die Bildung der Gesetzgebungsausschüsse in der Weise vor, dass diese die Zusammensetzung der Kammer repräsentieren.
3. Der Consell General benennt einen ständigen Ausschuss, der über die Rechte der Kammer wacht, wenn diese aufgelöst ist oder sich außerhalb der Sitzungsperioden befindet. Der ständige Ausschuss, unter dem Vorsitz des Síndic General, ist so zusammengesetzt, dass die paritätische Zusammensetzung der Kammer gewahrt wird.
4. Die Consellers können sich zu Fraktionen vereinigen. Die Geschäftsordnung wird die Rechte und Pflichten der Consellers und der Fraktionen regeln, ebenso wie das Statut der nicht fraktionsgebundenen Consellers.
Artikel 57
1. Zum gültigen Erlass von Beschlüssen muss der Consell General mit mindestens der Hälfte der Consellers zusammentreten.
2. Die Beschlüsse sind gültig, wenn sie von den anwesenden Consellers mit einfacher Mehrheit gefasst worden sind, unter Vorbehalt der von der Verfassung festgelegten speziellen Mehrheiten.
3. Die von der Verfassung vorgesehenen Lleis Qualificades benötigen zu ihrer Bewilligung das endgültige zustimmende Votum der absoluten Mehrheit der Mitglieder des Consell General, mit Ausnahme der Lleis Qualificades über die Wahlen und Volksabstimmungen, über die Aufgaben der Comuns und deren Übertragung. Diese benötigen zu ihrer Verabschiedung das endgültige zustimmende Votum der absoluten Mehrheit der von den Parròquies gewählten Consellers und der absoluten Mehrheit der auf nationalem Gebiet gewählten Consellers.
Kapitel II. Über das Gesetzgebungsverfahren
Artikel 58
1. Die Gesetzesinitiative obliegt dem Consell General und dem Govern.
2. Drei Comuns gemeinsam oder ein Zehntel der nationalen Wählerliste können dem Consell General Gesetzesvorschläge unterbreiten.
3. Die Gesetzentwürfe und -vorlagen sind vom Plenum und von den Ausschüssen in der von der Verordnung vorgesehenen Form zu verhandeln.
Artikel 59
Der Consell General kann durch Gesetz dem Govern Gesetzgebungsbefugnisse übertragen, die aber auf keinen Fall weiterübertragen werden dürfen. Das Gesetz über die Übertragung bestimmt die übertragene Materie sowie die Grundsätze und Richtlinien, an die sich die entsprechende. Rechtsverordnung des Govern halten muss, ebenso wie die Frist, in der sie zu erlassen ist. Die Ermächtigung regelt gleichzeitig die Art der parlamentarischen Kontrolle über den delegierten Bereich.
Artikel 60
1. In Fällen äußerster Eile und Notwendigkeit kann das Govern dem Consell General einen vorformulierten Text vorlegen, den dieser innerhalb einer Frist von achtundvierzig Stunden einstimmig als Gesetz beschließen kann.
2. Gegenstände der Gesetzgebung, die den Lleis Qualificades vorbehalten sind, können weder Gegenstand von Rechtsverordnungen noch des im Abschnitt 1 dieses Artikels vorgesehenen Verfahrens sein.
Artikel 61
1. Die Initiative über den Entwurf des allgemeinen Staatshaushalts steht ausschließlich dem Govern zu, das ihn zur parlamentarischen Genehmigung mindestens zwei Monate vor Ablauf der vorhergehenden Staatshaushalte vorlegen muss.
2. Der Gesetzentwurf über den allgemeinen Staatshaushalt hat in Bezug auf seine Erledigung Vorrang gegenüber anderen Angelegenheiten und wird nach einem eigenen Verfahren behandelt, das in der Geschäftsordnung geregelt ist.
3. Wenn das Gesetz über den allgemeinen Staatshaushalt nicht vor dem ersten Tag des Haushaltsjahres genehmigt worden ist, gilt der Staatshaushalt der vorhergehenden Haushaltsperiode automatisch als solange verlängert, bis der neue genehmigt wird.
4. Das Gesetz über den allgemeinen Staatshaushalt darf keine Steuern einführen.
5. Der Finanzausschuss des Consell General überprüft jährlich die ordnungsgemäße Durchführung des Haushaltsplans.
Artikel 62
1. Die Consellers und die parlamentarischen Gruppen können die Gesetzentwürfe und -vorschläge abändern.
2. Das Govern kann beantragen, dass diejenigen Abänderungen nicht debattiert werden, die zu einer Erhöhung der Ausgaben oder Verminderung der Einnahmen im Vergleich zu den im allgemeinen Staatshaushalt vorgesehenen Beträgen führen. Der Consell General kann diesen Antrag mit absoluter Mehrheit der Kammer in einer begründeten Entscheidung ablehnen.
Artikel 63
Nach der Verabschiedung eines Gesetzes durch den Consell General stellt der Síndic General es den Coprínceps zu, die es während der folgenden acht und fünfzehn Tage ausfertigen, bekanntgeben und seine Veröffentlichung im Butlletí Oficial del Principat d'Andorra veranlassen.
Kapitel III. Über die internationalen Verträge
Artikel 64
1. Folgende internationale Verträge müssen vom Consell General mit absoluter Mehrheit der Kammer ratifiziert werden:
a) Verträge, die den Staat an eine internationale Organisation binden.
b) Verträge, die sich auf die innere Sicherheit und auf die Verteidigung beziehen.
c) Verträge, die sich auf das Staatsgebiet von Andorra beziehen.
d) Verträge, die Einfluss auf die in Titel II geregelten Grundrechte haben.
e) Verträge, die zu neuen Verpflichtungen für das öffentliche Finanzwesen führen.
f) Verträge, die Verfügungen gesetzgeberischer Art treffen oder ändern, oder die zur ihrer Durchführung gesetzgeberische Maßnahmen erfordern.
g) Verträge, die die diplomatische Vertretung oder konsularische Funktionen, die Rechtshilfe oder die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung betreffen.
2. Das Govern informiert den Consell General und die Coprínceps über die übrigen internationalen Verträge.
3. Für die Aufhebung internationaler Verträge, die die im Absatz 1 aufgezählten Materien betreffen, ist ebenfalls die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Kammer notwendig.
Artikel 65
Im Interesse des andorranischen Volkes, des Fortschritts oder des internationalen Friedens können gesetzgeberische, verwaltungsmäßige oder gerichtliche Kompetenzen abgetreten werden, unter der Bedingung, dass diese von internationalen Organisationen übernommen werden, und zwar mittels eines Vertrages, der von zwei Dritteln der Mitglieder des Consell General ratifiziert werden muss.
Artikel 66
1. Die Coprínceps nehmen an der Verhandlung über diejenigen Verträge teil, welche die Beziehungen zu den Nachbarstaaten beeinflussen, wenn sie die in b), c) und g) des Artikels 64.1 aufgezählten Materien betreffen.
2. Bei der Verhandlung über die im vorhergehenden Artikel bezeichneten Verträge muss die andorranische Vertretung neben den vom Govern ernannten Mitgliedern über je ein Mitglied verfügen, das von jeweils einem der beiden Coprínceps ernannt worden ist.
3. Zur Annahme des Vertragstextes ist das Einverständnis der vom Govern ernannten Mitglieder sowie jedes der beiden von den Coprínceps ernannten Mitglieder notwendig.
Artikel 67
Die Coprínceps werden von allen anderen Vertragsvorschlägen und internationalen Übereinstimmungen informiert und können, auf Antrag des Govern und mit parlamentarischer Genehmigung, zu der Verhandlung hinzugezogen werden, wenn das nationale Interesse Andorras dies erfordert.
Artikel 68
1. In der ersten Sitzung nach jeder Neuwahl des Consell General, die in einem Zeitraum von acht Tagen nach der konstituierenden Sitzung einberufen werden muss, findet die Wahl des Cap de Govern statt.
2. Die Kandidaten müssen von einem Fünftel der Mitglieder des Consell General vorgeschlagen werden. Jeder Conseller kann nicht mehr als einen Kandidaten vorschlagen.
3. Die Kandidaten müssen ihr Programm vorstellen und es gilt derjenige als gewählt, der nach einer Debatte in einer ersten öffentlichen und mündlichen Abstimmung die absolute Mehrheit der Stimmen des Consell General erreicht.
4. Sollte eine zweite Abstimmung notwendig sein, können sich nur die beiden Kandidaten bewerben, die in der ersten Abstimmung die meisten Stimmen erzielt haben. Es wird derjenige zum Cap de Govern ernannt, der mehr Stimmen erhält.
5. Der Síndic General gibt den Coprínceps das Ergebnis der Abstimmung bekannt, damit diese den gewählten Kandidaten zum Cap de Govern ernennen, und zeichnet die Ernennung gegen.
6. Dasselbe Verfahren gilt in allen anderen Fällen in denen das Amt des Cap de Govern zu besetzen ist.
Artikel 69
1. Das Govern trägt gegenüber dem Consell General gemeinschaftlich die politische Verantwortung.
2. Ein Fünftel der Consellers kann mittels eines begründeten Schreibens einen Misstrauensantrag gegen den Cap de Govern stellen.
3. Nach Abschluss einer Debatte, die in der von der Geschäftsordnung festgelegten Form innerhalb von drei bis fünf Tagen nach dem Misstrauensantrag stattfindet, schließt sich eine öffentliche und mündliche Abstimmung an. Für die Annahme des Misstrauensantrags sind die Stimmen der absoluten Mehrheit des Consell General notwendig.
4. Wenn der Misstrauensantrag angenommen wird, tritt der Cap de Govern zurück. Im Anschluss wird sofort nach dem Verfahren vorgegangen, das der vorhergehende Artikel vorsieht.
5. Bevor sechs Monate nach der letzten Wahl des Cap de Govern vergangen sind, kann kein Misstrauensantrag gestellt werden.
6. Die Consellers, die den Misstrauensantrag eingebracht haben, dürfen vor Ablauf eines Jahres keinen weiteren Misstrauensantrag unterzeichnen.
Artikel 70
1. Der Cap de Govern kann vor dem Consell General über sein Regierungsprogramm, über eine Erklärung in Bezug auf die Allgemeinpolitik oder über eine Entscheidung von besonderer Tragweite die Vertrauensfrage stellen.
2. Das Vertrauen gilt als ausgesprochen, wenn der Antrag in öffentlicher und mündlicher Abstimmung die einfache Mehrheit erhält. Sollte der Cap de Govern diese Mehrheit nicht erhalten, so muss er zurücktreten.
Artikel 71
1. Der Cap de Govern kann, nach Beratung mit dem Govern und auf seine eigene Verantwortung, die Coprínceps um die vorzeitige Auflösung des Consell General ersuchen. Das Dekret über die Auflösung muss gleichzeitig die Einberufung von Neuwahlen in Übereinstimmung mit Artikel 51.2 der Verfassung bestimmen.
2. Die Auflösung kann nicht stattfinden, solange ein Misstrauensantrag anhängig ist oder wenn der Ausnahmezustand erklärt worden ist.
3. Vor Ablauf eines Jahres nach den letzten Wahlen kann keine Auflösung stattfinden.
TITEL V
ÜBER DAS GOVERN
Artikel 72
1. Das Govern setzt sich zusammen aus dem Cap de Govern und den Ministern in der gesetzlich bestimmten Anzahl.
2. Es gestaltet unter der Leitung seines Oberhauptes die nationale und internationale Politik von Andorra. Es leitet auch die staatliche Verwaltung und ist für den Erlass von Verordnungen zuständig.
3. Die öffentliche Verwaltung dient dem allgemeinen Interesse mit Objektivität und handelt nach den Prinzipien der Hierarchie, der Effizienz und der Transparenz sowie unter absolutem Gehorsam gegen die Verfassung, die Gesetze und die allgemeinen Grundsätze der Rechtsordnung, die in Titel I bestimmt sind. Alle ihre Handlungen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle.
Artikel 73
Der Cap de Govern wird von den Coprínceps ernannt, nachdem er nach dem von der Verfassung vorgesehenen Verfahren gewählt worden ist.
Artikel 74
Der Cap de Govern und die Minister sind in gleicher Weise rechtlich verantwortlich, wie die Consellers Generals.
Artikel 75
Der Cap de Govern, oder gegebenenfalls der verantwortliche Minister, zeichnet die in Artikel 45 vorgesehenen Handlungen der Coprínceps gegen.
Artikel 76
Der Cap de Govern kann, mit Zustimmung der Mehrheit des Consell General, von den Coprínceps die Einberufung einer Volksabstimmung über Fragen politischen Charakters erbitten.
Artikel 77
Das Govern beendet sein Mandat bei Abschluss der Legislaturperiode, bei Rücktritt, Tod oder unbehebbarer Geschäftsunfähigkeit des Cap de Govern, durch einen Misstrauensantrag oder wenn eine Vertrauensfrage keine Mehrheit findet. In all diesen Fällen bleibt das Govern solange im Amt, bis ein neues gebildet ist.
Artikel 78
1. Der Cap de Govern kann sein Amt nicht länger als zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden ausüben.
2. Die Mitglieder des Govern können ihr Amt nicht mit dem des Conseller General verbinden und können lediglich diejenigen öffentlichen Funktionen ausüben, die sich von ihrer Zugehörigkeit zum Govern ableiten lassen.
TITEL VI
ÜBER DIE GLIEDERUNG DES STAATSGEBIETES
Artikel 79
1. Die Comuns, als Vertretungs- und Verwaltungsorgane der Parròquies, sind öffentliche Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit und lokaler normativer Befugnis zum Erlass von Ordinacions, Vorschriften und Verfügungen im Rahmen der Gesetze. Innerhalb ihrer Befugnisse, die in Übereinstimmung mit der Verfassung, dem Gesetz und der Tradition ausgeübt werden, funktionieren sie unter dem Prinzip der verfassungsmäßig anerkannten und gewährleisteten Selbstverwaltung.
2. Die Comuns vertreten die Interessen der Parròquies, genehmigen und führen den Gemeindehaushalt aus, bestimmen und erledigen öffentliche politische Maßnahmen in ihrem Territorialbereich und betreiben und verwalten alle im Besitz der Parròquia befindlichen Güter, gleichgültig ob es sich bei diesen um öffentliches Gemeindeeigentum, Privateigentum oder sonstige Vermögensrechte handelt.
3. Ihre Verwaltungsorgane werden demokratisch gewählt.
Artikel 80
1. Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen und wirtschaftlichen Autonomie der Comuns werden ihre Befugnisse durch Llei Qualificada begrenzt, und zwar mindestens in den folgenden Materien:
a) Einwohnerverzeichnis.
b) Wählerliste. Beteiligung an der Durchführung des Wahlverfahrens und der Wahlaufsicht, die ihnen nach dem Gesetz zusteht.
c) Bürgerbefragungen.
d) Handel, Industrie und berufliche Betätigungen.
e) Grenzen des Gemeindegebiets.
f) Eigene und im öffentlichen Besitz der Gemeinde befindliche Güter.
g) Natürliche Ressourcen.
h) Kataster.
i) Städteplanung.
j) Öffentliche Verkehrswege.
k) Kultur, Sport und soziale Unternehmungen.
l) Öffentliche Dienste.
2. Im Rahmen der Besteuerungsbefugnis des Staates bestimmt die erwähnte Llei Qualificada die wirtschaftlichen und steuerlichen Befugnisse der Comuns zur Ausübung ihrer Zuständigkeiten. Diese Befugnisse beziehen sich jedenfalls auf die Nutzung und Ausbeutung der natürlichen Quellen, auf die traditionellen Abgaben und auf die Gebühren für gemeindliche Dienstleistungen, verwaltungsrechtliche Genehmigungen, Besteuerung von Handels- Industrie- und Berufstätigkeit sowie Immobilienbesitz.
3. Mittels eines Gesetzes können den Parròquies staatliche Befugnisse übertragen werden.
Artikel 81
Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Comuns zu gewährleisten, bestimmt eine Llei Qualificada die Ausgleichszahlungen des allgemeinen Staatshaushalts an die Comuns, wobei zunächst für alle Parròquies ein gleicher Anteil gewährt wird, neben einem variablen Anteil, der proportional von der Bevölkerungsanzahl, der territorialen Ausdehnung und anderen Umständen abhängt.
Artikel 82
1. Verfahren über die Auslegung oder Ausübung der Befugnisse zwischen allgemeinen staatlichen Organen und den Comuns werden vom Tribunal Constitucional gelöst.
2. Die Handlungen der Comuns sind anhand der gesetzlich bestimmten Mittel sofort vollstreckbar. Gegen sie können verwaltungsrechtliche und gerichtliche Rechtsmittel eingelegt werden, um ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung zu überprüfen.
Artikel 83
Die Comuns besitzen das Recht zur Gesetzesinitiative und sind berechtigt, innerhalb der von der Verfassung festgelegten Bedingungen Normenkontrollklagen einzureichen.
Artikel 84
Die Gesetze werden bei der Regelung der Befugnisse der Quarts und der Veïnats sowie deren Beziehungen zu den Comuns die Sitten und Gebräuche beachten.
TITEL VII
ÜBER DIE RECHTSPFLEGE
Artikel 85
1. Die Rechtsprechung wird im Namen des andorranischen Volkes ausschließlich von unabhängigen, unabsetzbaren und in ihren Rechtsprechungsfunktionen lediglich der Verfassung und dem Gesetz unterworfenen Richtern ausgeübt.
2. Es gibt nur eine Gerichtsverfassung. Ihre Struktur, Zusammensetzung, Funktionsweise und das Rechtsstatut ihrer Mitglieder müssen durch Llei Qualificada geregelt werden. Sondergerichte sind verboten.
Artikel 86
1. Die Regelung der Zuständigkeit und des auf die Justizverwaltung anwendbaren Verfahrens ist dem Gesetz vorbehalten.
2. Die Urteile werden in allen Fällen begründet, sind auf die Rechtsordnung bezogen und werden öffentlich zugestellt.
3. Der Strafprozess ist öffentlich, außer den vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen. Sein Verfahren ist in aller Regel mündlich. Der die erste Instanz beendende Urteilsspruch ist von einem anderen gerichtlichen Organ auszusprechen als demjenigen, das die Untersuchung geleitet hat. Immer können dagegen Rechtsmittel eingelegt werden.
4. Die Vertretung der Interessen der Allgemeinheit kann in Fällen, die durch die Prozessordnungen geregelt sind, mittels einer Popularklage geschehen.
Artikel 87
Die Rechtspflege wird in Übereinstimmung mit dem Gesetz von den Batlles, dem Tribunal de Batlles, dem Tribunal de Corts und dem Tribunal Superior de la Justícia d'Andorra, sowie von den Präsidenten dieser Gerichte ausgeübt.
Artikel 88
Die Urteile gelten, sobald sie rechtskräftig sind, als abgeurteilte Verfahren und können nicht mehr abgeändert oder aufgehoben werden, mit Ausnahme der vom Gesetz vorgesehenen Fälle oder wenn ausnahmsweise das Tribunal Constitucional aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde zur Ansicht kommt, dass die Urteilssprüche unter Verletzung eines Grundrechtes zustande gekommen sind.
Artikel 89
1. Der Consell Superior de la Justícia wacht als Repräsentations-, Leitungs- und Verwaltungsorgan der gerichtlichen Organisation über die Unabhängigkeit und einwandfreie Funktionsweise der Justiz. Alle seine Mitglieder müssen andorranische Staatsbürger sein.
2. Der Consell Superior de la Justícia besteht aus fünf Mitgliedern, die Andorraner und mehr als fünfundzwanzig Jahre alt sind, und denen das Wesen der Justizverwaltung bekannt ist, und zwar aus einem Mitglied für jeden Copríncep, einem für den Síndic General, einem für den Cap de Govern und einem für die Magistrats und Batlles. Der Präsident des Consell Superior de la Justícia wird vom Síndic General ernannt.
3. Der Consell Superior de la Justícia beruft die Batlles und Magistrats, übt die Dienstaufsicht über sie aus und sorgt dafür, dass die Justizverwaltung über die geeigneten Mittel zu ihrer reibungslosen Funktionsfähigkeit verfügt. Zum letztgenannten Zweck kann er Berichte vorlegen, um den Erlass der Gesetze zu beschleunigen, die das Rechtswesen betreffen, oder um eine Mitteilung zu erhalten, in welchem Stadium sich die Gesetzgebung befindet.
4. Das Llei Qualificada über die Rechtspflege regelt die Aufgaben und Zuständigkeiten von diesem Consell Superior.
Artikel 90
1. Alle Richter werden, unabhängig von ihrem Rang, für ein verlängerbares Mandat von sechs Jahren ernannt. Die Auswahl findet unter Personen mit juristischer Ausbildung statt, die die Fähigkeit zur Ausübung des Richteramtes haben.
2. Die Präsidenten des Tribunal de Batlles, des Tribunal de Corts und des Tribunal Superior de la Justícia werden vom Consell Superior bestimmt. Die Dauer ihres Mandats und die Bedingungen für ihre Wählbarkeit werden in dem in Artikel 89.4 der Verfassung erwähnten Llei Qualificada festgelegt.
Artikel 91
1. Das Richteramt ist unvereinbar mit jedem anderen öffentlichen Amt sowie mit der Ausübung einer Handels-, Industrie- oder sonstigen Berufstätigkeit. Die Richter erhalten ihre Honorare ausschließlich aus dem Staatshaushalt.
2. Während seines Mandats darf ein Richter weder verwarnt noch versetzt, von seinen Funktionen abgesetzt oder seines Amtes enthoben werden, außer wenn dies aufgrund einer Sanktionierung geschieht, weil er sich eines Verstoßes gegen seine strafrechtliche oder disziplinäre Verantwortlichkeit schuldig gemacht hat, und zwar nur in einem durch Llei Qualificada geregelten Verfahren und mit allen Rechten auf Anhörung und Verteidigung. Dasselbe Llei Qualificada regelt auch die Bedingungen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Richters.
Artikel 92
Der Staat entschädigt, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und unter Vorbehalt der persönlichen Verantwortlichkeit des Schadensverursachers, die durch Justizirrtum oder durch das unrichtige Funktionieren der Justizverwaltung verursachten Schäden.
Artikel 93
1. Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe, über die Verteidigung und Anwendung der Rechtsordnung und über die Unabhängigkeit der Gerichte zu wachen, sowie vor diesen für die Anwendung der Gesetze zur Wahrung der bürgerlichen Rechte und zur Wahrnehmung des Allgemeininteresses zu sorgen.
2. Die Staatsanwaltschaft besteht aus Mitgliedern, die auf Vorschlag des Govern vom Consell Superior de la Justícia ernannt worden sind, und die die Voraussetzungen für das Richteramt erfüllen. Ihr Amt dauert sechs Jahre und kann erneuert werden. Ihr Rechtsstatut wird durch Gesetz geregelt.
3. Die Staatsanwaltschaft, unter Leitung des Generalstaatsanwaltes, handelt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der inneren Einheit und Hierarchie.
Artikel 94
Die Richter und die Staatsanwaltschaft leiten die Tätigkeit der Polizei im Rahmen der Rechtspflege nach den Bestimmungen der Gesetze.
TITEL VIII
ÜBER DAS VERFASSUNGSGERICHT
Artikel 95
1. Dem Tribunal Constitucional obliegt die Auslegung der Verfassung als höchster Autorität. Es handelt als Organ der Rechtsprechung und seine Urteile sind bindend für die öffentliche Gewalt und für die Privatpersonen.
2. Das Tribunal Constitucional erlässt seine eigene Geschäftsordnung und übt seine Aufgabe nur in Abhängigkeit von der Verfassung und dem Llei Qualificada über seine eigene Institution aus.
Artikel 96
1. Das Tribunal Constitucional besteht aus vier verfassungsmäßigen Magistrats, zu denen nur Personen ernannt werden, die über anerkannte juristische und institutionelle Erfahrung verfügen, und zwar eine für jeden der beiden Coprínceps und zwei für den Consell General. Ihr Mandat hat eine Dauer von acht Jahren und kann nicht während aufeinander folgender Perioden erneuert werden. Die Neubesetzung des Tribunal Constitucional geht stufenweise vor sich. Eine Regelung über Inkompatibilität wird in dem Llei Qualificada getroffen, auf die sich der vorhergehende Artikel bezieht.
2. Den Vorsitz übernimmt alle zwei Jahre der Magistrat, dem die Präsidentschaft nach dem rotierenden System turnusmäßig zusteht.
Artikel 97
1. Das Tribunal Constitucional trifft seine Entscheidungen durch Stimmenmehrheit. Beratungen und Stimmabgabe sind geheim. Der Berichterstatter wird immer durch Auslosung ernannt und verfügt über die entscheidende Stimme im Falle von Stimmengleichheit.
2. Die Urteile, die ganz oder teilweise dem Antrag stattgeben, müssen nach der Regelung, die das Llei Qualificada vorschreibt, den Rahmen und das Ausmaß ihrer Rechtswirkung bestimmen.
Artikel 98
Das Tribunal Constitucional kennt:
a) Verfahren der Normenkontrolle von Gesetzen, gesetzgebenden Erlassen und der Geschäftsordnung des Consell General.
b) Anträge zur Erstellung von Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und internationalen Verträgen vor ihrer Annahme.
c) Verfassungsbeschwerden.
d) Zuständigkeitskonflikte zwischen den Verfassungsorganen. Hierbei werden als Verfassungsorgane angesehen: Die Coprínceps, der Consell General, das Govern, der Consell Superior de la Justícia und die Comuns.
Artikel 99
1. Normenkontrollklagen gegen Gesetze oder gesetzgebende Erlasse können von einem Fünftel der Mitglieder des Consell General, dem Cap de Govern und von drei Comuns erhoben werden. Ein Fünftel der Mitglieder des Consell General kann eine Normenkontrollklage gegen die Geschäftsordnung der Kammer einlegen. Die Frist für die Einlegung der Klage beträgt dreißig Tage nach der Veröffentlichung der Norm.
2. Die Erhebung der Klage hebt die Gültigkeit der angefochtenen Norm nicht auf. Das Gericht muss innerhalb einer Frist von höchstens zwei Monaten ein Urteil fällen.
Artikel 100
1. Hat ein Gericht in einem Prozess begründete und vernünftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder eines gesetzgebenden Erlasses, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, legt es dem Tribunal Constitucional ein Schriftstück vor, in dem es um die Beurteilung der Gültigkeit der betreffenden Norm bittet.
2. Das Tribunal Constitucional kann die Bearbeitung des Schriftstückes ablehnen, ohne dass in diesem Fall die Möglichkeit eines Rechtsmittels besteht. Wird das Schreiben zur Entscheidung angenommen, so muss das Urteil in einem Zeitraum von höchstens zwei Monaten gefällt werden.
Artikel 101
1. Die Coprínceps unter den Bedingungen des Artikels 46.1.f), der Cap de Govern oder ein Fünftel der Mitglieder des Consell General können vor der Ratifizierung von internationalen Verträgen ein Gutachten über deren Verfassungsmäßigkeit fordern. Dieses Verfahren ist vorrangig.
2. Die Bejahung der Verfassungswidrigkeit hindert die Ratifizierung des Vertrags. In jedem Fall bedarf der Abschluss eines internationalen Vertrags, der verfassungswidrige Klauseln enthält, einer vorherigen Änderung der Verfassung.
Artikel 102
Gegen die Handlungen der Organe der öffentlichen Gewalt, die die Grundrechte verletzen, ist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde berechtigt:
a) Wer Partei oder Streithelfer des vorherigen gerichtlichen Verfahrens war, auf das sich der Artikel 41.2 dieser Verfassung bezieht.
b) Wer ein legitimes Interesse an Vorschriften oder anderen Akten des Consell General hat, die keine Gesetzeskraft besitzen.
c) Die Staatsanwaltschaft, bei der Verletzung des Grundrechtes auf gerichtlichen Schutz.
Artikel 103
1. Das Verfahren zwischen verfassungsmäßigen Organen findet statt, wenn eines von ihnen die rechtswidrige Ausführung von Befugnissen seitens des anderen geltend macht, die nach der Verfassung ihm selbst zustehen.
2. Das Tribunal Constitucional kann in einer einstweiligen Anordnung die Wirkungen der angefochtenen Normen oder Rechtsakte aufheben und gegebenenfalls die Beendigung der Handlungen anordnen, die den Konflikt veranlasst haben.
3. Das Urteil nennt die umstrittene Befugnis und ordnet sie einer der beteiligten Parteien zu.
4. Der Beginn eines Organstreitverfahrens unterbindet die Vorlage derselben Frage bei der Justizverwaltung.
5. Das Gesetz regelt die Fälle, in denen das Verfahren sich auf die Nichtwahrnehmung von Befugnissen der erwähnten Organe bezieht.
Artikel 104
Ein Llei Qualificada regelt das Rechtsstatut der Mitglieder des Tribunal Constitucional, die Prozesse vor dem Tribunal Constitucional und die Funktionsweise der Institution.
TITEL IX
ÜBER DIE ÄNDERUNG DER VERFASSUNG
Artikel 105
Die Initiative zu einer Reform der Verfassung steht beiden Coprínceps zusammen oder einem Drittel der Mitglieder des Consell General zu.
Artikel 106
Die Verfassungsreform benötigt einen Beschluss des Consell General, der mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Kammermitglieder gefasst wird. Unmittelbar anschließend wird der Vorschlag zur Ratifizierung einer Volksabstimmung vorgelegt.
Artikel 107
Nach Beendigung des in Artikel 106 beschriebenen Vorgangs, fertigen die Coprínceps den neuen Text der Verfassung aus. Dieser erlangt rechtliche Gültigkeit mit der Verkündung.
ERSTE ZUSATZBESTIMMUNG
Die Verfassung erteilt dem Consell General und dem Govern den Auftrag, gemeinsam mit den Coprínceps den Regierungen Spaniens und Frankreichs Verhandlungen vorzuschlagen, welche die Unterzeichnung eines internationalen trilateralen Vertrages zum Ziel haben. Dieser soll den Rahmen für die Beziehungen mit den beiden Nachbarstaaten auf der Basis des Respekts vor der Souveränität, der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität Andorras bilden.
ZWEITE ZUSATZBESTIMMUNG
Die Ausübung der diplomatischen Vertretung eines Staates in Andorra ist unvereinbar mit der Ausübung jedes anderen öffentlichen Amtes.
ERSTE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Derselbe Consell General, der die vorliegende Verfassung beschlossen hat, eröffnet eine außerordentliche Sitzungsperiode, um mindestens auch die Geschäftsordnung des Consell General und die Lleis Qualificades über das Wahlverfahren, die Befugnisse und die Finanzierung der Comuns, die Gerichtsverfassung und das Tribunal Constitucional zu beschließen. Diese Sitzungsperiode endet am 31. Dezember 1993.
2. Während dieser Periode, die am ersten Werktag nach der Veröffentlichung der Verfassung beginnt, kann der Consell General nicht aufgelöst werden und übt alle Befugnisse aus, die ihm verfassungsgemäß zustehen.
3. Am 8. September 1993, Feiertag der Mare de Deu de Meritxell, wird der Síndic General allgemeine Wahlen ausrufen, die innerhalb der ersten fünfzehn Tage des Monats Dezember des gleichen Jahres durchgeführt werden.
4. Die Beendigung dieser Sitzungsperiode beinhaltet die Auflösung des Consell General und den Rücktritt des Govern, das in Übereinstimmung mit der Verfassung bis zur Bildung eines neuen Govern im Amt bleibt.
ZWEITE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Das Llei Qualificada über die Rechtspflege sieht die gleichmäßige Ernennung von Richtern und Staatsanwälten aus den Nachbarstaaten vor, solange in diesem Punkt nicht anders verfahren werden kann. Dieses Gesetz, wie auch das Gesetz über das Tribunal Constitucional, regelt die Ordnung der Nationalität für Richter und Magistrats, die nicht die andorranische Staatsangehörigkeit besitzen.
2. Das Llei Qualificada über die Rechtspflege regelt ebenso die Übergangszeit in Bezug auf das Verbleiben derjenigen Richter im Amt, die zur Zeit der Bekanntgabe dieser Verfassung nicht den vorgesehenen akademischen Titel besitzen.
3. Das erwähnte Llei Qualificada über die Rechtspflege sieht Anpassungssysteme vor für diejenigen Prozesse und Verfahren, die nach dem in dieser Verfassung vorgesehenen gerichtlichen und prozessualen System anhängig geworden sind, damit das Recht auf Rechtsschutz gewährleistet ist.
4. Die Gesetze und Normen mit Gesetzeskraft, die zur Zeit der Schaffung des Tribunal Constitucional in Kraft sind, können in einer Frist von drei Monaten nach Amtsübernahme der Magistrats zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens gemacht werden. Legitimiert zur Anstrengung des Verfahrens sind die im Artikel 99 der Verfassung vorgesehenen Personen.
5. Während der ersten Legislaturperiode nach Inkrafttreten der Verfassung können die Repräsentanten der Coprínceps im Consell General de la Justícia nichtandorranischer Nationalität sein.
DRITTE ÜBERGANGSBESTIMMUNG
1. Die institutionellen Behörden der Coprínceps, deren Befugnisse und Funktionen von dieser Verfassung anderen Staatsorganen aufgetragen worden sind, werden auf die erwähnten Organe übertragen. Zu diesem Zweck wird ein Arbeitsausschuss gebildet, bestehend aus einem Vertreter für jeden Copríncep, zwei für den Consell General und zwei für das Govern. Der Ausschuss erstellt einen Bericht und legt ihn dem Consell General vor, damit in dem Zeitraum, der in der ersten Übergangsbestimmung erwähnt ist, die notwendigen Verfügungen getroffen werden können, um die entsprechenden Änderungen bewerkstelligen zu können.
2. Derselbe Ausschuss trifft die notwendigen Anordnungen, um die Dienste der Polizei innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Inkrafttreten dieser Verfassung unter die ausschließliche Aufsicht des Govern zu stellen.
AUSSERKRAFTTRETEN ENTGEGENSTEHENDER VORSCHRIFTEN
Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden alle früheren Normen außer Kraft gesetzt, soweit ihr Inhalt dieser Verfassung widerspricht.
SCHLUSSBESTIMMUNG
Die Verfassung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Butlletí Oficial del Principat d'Andorra in Kraft.
Nach der Annahme durch den Consell in feierlicher Sitzung am 2. Februar 1993 und nach der Genehmigung durch das Volk von Andorra durch eine am 14. März 1993 abgehaltene Volksabstimmung machen wir, die Coprínceps, uns diese Verfassung zu eigen, ratifizieren und fertigen sie aus, verkünden sie und ordnen ihre Veröffentlichung zum Zweck der allgemeinen Kenntnisnahme an.
Casa de la Vall, 28. April 1993
François Mitterrand
Präsident der Französischen Republik
Copríncep von Andorra
Jordi Farràs Forné
Síndic General
Joan Martí Alanís
Bischof von Urgell
Copríncep von Andorra
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Zitiervorschlag
Die andorranische Verfassung in deutscher Sprache (Constitució del Principat d'Andorra) (Übersetzung Consell General 1993, durchgesehene und korrigierte Fassung der Übersetzung für den deutschen Sprachraum an Hand des katalanischen Originaltexts 'Constitució del Principat d'Andorra' vom 28.04.1993 (BOPA 1993, 448) von H. Boldt 2013)
Online in Internet: URL: http://www.andorra-intern.com/docs-pub/verfassung.htm [Stand: *Abrufdatum*].
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Dokumentinfo
Bearbeitung: H. Boldt
Stand: Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 04.10.2013
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