CEDI - Auskunfts- und Beratungsstelle Europaverband der Selbständigen in Andorra Steueroase Andorra

 . . . "Wir wollen nicht die Verstaatlichung des Menschen, sondern die Vermenschlichung des Staates." - Johann Heinrich Pestalozzi

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Menschenrechte, Verfassungsbeschwerde und Normenkontrollklage in Andorra

Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung

Prioritäre Menschenrechte sind in Andorra nicht durchsetzbar, weil eine Verfassungsbeschwerde nicht von den Bürgern selbst beantragt werden kann.

Der Ursprung des Menschenrechtskonzepts geht zurück auf das vor- und überstaatliche 'ewige' Naturrecht zurück. Gegenwärtig wird die in der 183. Plenarsitzung der Vereinten Nationen am 10.12.1948 angenommene Resolution 217 A (III), besser bekannt als 'Allgemeine Erklärung der Menschenrechte' (AEMR), engl. 'Universal Declaration of Human Rights' (UDHR ) [1], als wichtigstes Dokument zum Schutz der Menschenrechte angesehen. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Willenserklärung und kein völkerrechtlicher Vertrag. Jedoch ist diese Erklärung im Laufe der Jahrzehnte heute als Völkergewohnheitsrecht als rechtsverbindlich anzusehen. Alle der UNO beigetretenen Staaten haben sich verpflichtet, die Menschenrechte in ihren nationalen Rechtssystemen zur vollen Geltung zu bringen. [2]

Eine Besonderheit ist, dass Andorra die AEMR direkt in die Verfassung aufgenommen hat. Im Vergleich zu anderen Staaten wählte Andorra hierzu die nur kürzest denkbare Formulierung. [3] Der Artikel 5 der andorranischen Verfassung erklärt die Universale Deklaration der Menschenrechte ohne jegliche Vorbehalte für in Andorra gültig [4].

Artikel 5: Die Universale Deklaration der Menschenrechte hat in Andorra Gültigkeit.

Die Menschenrechte haben damit in Andorra Verfassungsrang. Dennoch hat 'Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte' (AEMR) bei der Ausgestaltung der Gesetzgebung keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Anspruch und Wirklichkeit liegen in Andorra teilweise weit auseinander.

Das Gesetzgebungsverfahren sieht in Andorra keine zwingende Prüfung der Konformität mit der Verfassung vor. Regierung und Parlament beachten Menschenrechte nicht angemessen. So werden immer wieder Gesetze verabschiedet, die im Widerspruch mit den unantastbaren Menschenrechten und der andorranischen Verfassung stehen [5] und erst nach erheblichen Anstrengungen und mit Unterstützung supranationaler Organisationen modifiziert werden. [6]

Die Abwehrrechte der Menschen gegen Willkür-Maßnahmen des Staates sind eingeschränkt. Die andorranische Verfassung sieht bei einer Verletzung der grundlegendsten Normen unter TITEL I, wie die Einhaltung der Normenhierarchie, dem Verbot der Rückwirkung von Maßnahmen und dem Verbot von Willkür jeder Art (Artikel 3) sowie im Kapitel I. der Menschenrechte (Artikel 5) und der Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 6) kein Recht auf eine Verfassungsbeschwerde durch 'normale Bürger' vor. Eine Beschwerde vor dem Verfassungsgericht durch 'normale Bürger' ist nur für die nachrangig aufgeführten Rechte in den Kapiteln III und IV zulässig (Artikel 41). So dass hier von einer strukturellen Dysfunktion ausgegangen werden kann.

Im Falle der Verletzung der vorgenannten Rechte lässt die Verfassung Betroffene schutzlos. Die Situation wird von Betroffenen als Rechtlosigkeit wahrgenommen. Ebenso ist bisher keine Entwicklung einer Kultur des Verfassungsrechts erkennbar [7].

Die Anerkennung der Menschenrechte geht immer mit der Zubilligung des Widerstandsrechts einher [8]. Hierzu drei Beispiele:

Bereits die 'Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten' [9] 'Declaration of Independence' von 1776 [10] umreißt in der Präambel ausführlich, dass eine Verletzung des Naturrechts durch die Regierung Umstände sind, die eine Revolution rechtfertigen.

Frankreichs 'Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte' 'Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen' von 1789 legt fest:


Artikel 2 "... la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l'homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté et la résistance à l'oppression."

"... Erhaltung der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese sind das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung."


Und ebenso das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert in Artikel 20 Abs. 4 ein Widerstandsrecht gegen jeden, der die niedergelegte Verfassungsordnung zu beseitigen versucht.


"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."


Allen Erklärungen gemeinsam ist, dass es bei der Verletzung natürlicher und unveräußerlicher Rechte, ein Recht auf Widerstand geben muss. Ein derartiges Recht auf Widerstand sieht die andorranische Verfassung nicht vor. Während man in anderen Ländern für die Grundrechte aufstehen kann, existiert in Andorra nur die Option, vor den Verursachern auf die Knie zu gehen. Mangelnde Ernsthaftigkeit der Respektierung der Menschenrechte bei den Volksvertretern stellt vieles in Frage. Oder war die Verfassung nur ein wichtiges Requisit zur Erlangung der Anerkennung als souveräner Staat? [11].

Normenkontrollklagen gegen Gesetze können nur von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Parlaments, dem Regierungschef oder von drei Gemeinden erhoben werden. In der Praxis sind mindestens 6 Abgeordnete des derzeit 28 Mitglieder umfassenden Parlaments erforderlich. Des weiteren ist die Frist für die Einlegung einer Klage vor dem Verfassungsgericht auf dreißig Tage nach der Veröffentlichung eines Gesetzes beschränkt (Artikel 99). Nur das Verfassungsgericht kann die Nichtigkeit wirksam feststellen.

Nicht die von einer Verletzung Betroffenen, sondern nur eine ausreichende Anzahl vom Mitgliedern des Parlaments, in welchem die Norm verabschiedet wurde, können einen Antrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgericht stellen. Das setzt allerdings eine tatsächlich funktionsfähige Opposition voraus. Oft scheinen Nationalstaaten mit der Aufgabe, den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, überfordert zu sein.

Menschenrechte sind nicht kollektiv, was häufig übersehen wird. Menschenrechte sind Individualrechte und müssten von allen Regierungen jedem Menschen ohne irgendeinen Unterschied, unabhängig von Nationalität oder Vermögen, zugestanden werden. Diese nicht zur Disposition stehenden überstaatlichen Rechte haben Vorrang vor den kollektiven Rechten der Gesellschaft und dem Staat.

Trotzdem können Verfahren zur Überprüfung einer Rechtsnorm auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht in Andorra nicht von den Bürgern selbst beantragt werden.

 

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Andorra-Bibliographie: Menschenrechte
Die andorranische Verfassung in deutscher Sprache

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Link Tipps und Literaturempfehlungen:

Humanistische Union
Die Organisation setzt sich für den Schutz und die Durchsetzung der Menschenrechte und den Erhalt von Freiheit ein, solange es noch rechtsstaatliche Möglichkeiten hierfür gibt.

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Version: 10.2, letzte Bearbeitung: 22. März 2018